Forschung

Sozial- und Kulturgeographie

Seminar

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Im Zentrum des Seminars stand die Aufgabe zeitgenössische Verhältnisse zwischen dem Menschlichen und dem Nicht-Menschlichen, zwischen Natur und Kultur, zwischen Menschen und Technologien zu fassen und in einem geeigneten Vermittlungskonzept einer selbstgewählten Zielgruppe zu erklären. Ausgehend von Kernkonzepten mehr-als-menschlicher Geographien wie Cyborg (D. Haraway), Affekt (S. Ahmed) und Transkorporealität (S. Alaimo) entwickelten die Seminarteilnehmenden inhaltliche Formate (digitale Ausstellung, Hörspiel, Selbst-Test, Instagram-Container), die die vielfältigen Verschränkungen und das Zusammenwirken von menschlicher und nicht-menschlicher Materie ernst nehmen.

Nach einer inhaltlichen Einführung in zentrale Bereiche und Wissenstraditionen der mehr-als-menschlichen Geographien (Multispeziengeographien, Tiergeographien, feministische Geographien der Technowissenschaften und posthuman geographies) besuchten die Seminarteilnehmenden eine Ausstellung zu zeitgenössischen und historischen feministischen Kunstpositionen bei der sie sich mit den elaborierten und ausschliessenden Codes der Kunstwelt konfrontiert sahen. Die zum Teil frustrierenden Beobachtungen und Erfahrungen der Teilnehmenden liessen sich auf die Zirkel der Wissenschaft übertragen und motivierten im weiteren Verlauf des Seminars zu Experimenten erfahrungsbasierter und leicht zugänglicher Wissensvermittlung. Zum Beispiel entwickelten die Teilnehmenden ein Verständnis des Konzepts Intra-Aktion von Karen Barad durch ihre aktive Teilhabe in einer systemischen Aufstellung zu einem kubikmeter boden.

Das Seminar wurde gemeinsam von Dr. Elisabeth Militz (Unit Sozial- und Kulturgeographie) und Mirko Winkel (Koordinator des mLAB) geleitet und durch Beiträge von Dr. Julia Poerting (Geographisches Institut, Universität Bonn) und Prof. Dr. Carolin Schurr (Unit Sozial- und Kulturgeographie) bereichert.

Azad Kaya und Juan García

Blogbeitrag 1

Das private Instagram Klassentagebuch

Wozu und Wer?

Wir haben auf Instagram über einen privaten Account das fünf-tägige Klassentagebuch @corona_tagebuch2020 erstellt, um das Konzept Affekt an 15- & 16-jährige Schüler*innen in der Situation der Fernschule zu vermitteln. Als Klassenlehrer war Azad Kaya bereits im Vorfeld mit den teilnehmenden Schüler*innen einer Sekundarschule im Kanton Bern vernetzt. Das Geschlechterverhältnis in der Klasse ist ausgewogen, das Bildungsniveau der einzelnen Schüler*innen jedoch sehr unterschiedlich. Neben der Vermittlung des Konzepts Affekt war es unser Ziel den Schüler*innen eine Möglichkeit zu bieten, sich über ihre Gedanken und Gefühle während der durch die Corona-Pandemie verordneten Fernschule im April 2020 zu äussern. Das private Instagram Klassentagebuch gab den Schüler*innen damit in dieser speziellen und möglicherweise erschwerten Situation der Fernschule und Isolation eine Stimme. Sie können trotz mangelndem sozialem Kontakt von den Mitschüler*innen gehört werden und gleichzeitig ihre persönlichen Situationen miteinander vergleichen und reflektieren.  


Wie?

  • Am Freitag, den 03.04.20, sollte uns jede*r Schüler*in ein Foto ihres/seines Arbeitsplatzes schicken.
  • Am Samstag, den 04.04.20, zeigten wir ihnen ein Bild «ihres Schulhauses» und baten sie frei darauf zu reagieren und ihre Gedanken zu äussern. 
  • Am Sonntag, den 05.04.20, sollten sie ihre persönlichen Erfahrungen mit der Fernschule erläutern. 
  • Am Montag, den 06.04.20, sollten die Jugendlichen ihren Tag beschreiben.
  • Am Dienstag, den 07.04.20, sollten sich die Schüler*innen zu einen möglichen Abschluss ihres letzten Schuljahres im Fernschul-Modus äussern. 

Neben den Schüler*innen hat auch Juan García aus seiner Perspektive eines Studenten am Geographischen Institut, die Aufträge erfüllt. Unser Ziel war es, die Schüler*innen mit den anonymisierten Tagebucheinträgen gegenseitig zu affizieren, um Ihnen aufzuzeigen, dass Menschen, die unterschiedlich oder auch ähnlich positioniert sind auf dieselben Fragen anders reagieren und unterschiedliche Gefühle entwickeln – Affekt hängt vom Zusammenkommen verschiedener Räume, Körper und Erfahrungen ab. 

Wir haben alle Tagebucheinträge der Schüler*innen und von Juan García (Bild-, Ton- und Schriftmaterial) in den von uns erstellten privaten Instagram-Account @corona_tagebuch2020 integriert. Wir haben ein einheitliches Design gewählt, die Beiträge inhaltlich aber nicht verändert. Zu Beginn des Tagebuchs erklärt Azad Kaya in einem ersten Post in einer kurzen Videobotschaft, was man unter Affekt verstehen kann und was die Schüler*innen für die Zukunft aus dem Tagebuch mitnehmen können. Die folgenden Posts bieten den Schüler*innen die Möglichkeit im Tagebuch herumzuklicken und die Beiträge der Mitschüler*innen und von Juan García zu lesen bzw. zu hören. Der letzte Post ist ein wieder von Azad Kaya gesprochenes Rückblick-Video, welches das Konzept Affekt im Bewusstsein der Schüler*innen verankern soll. Das Konzept Affekt soll durch die Auseinandersetzung mit dem Tagebuch auf selbstständiger Weise erfahren und erlernt werden.

Im folgenden Video sehen wir links das Design und den Aufbau des Tagebuchs und rechts ein anonymes Beispiel für einen Beitrag eines Schülers/einer Schülerin.

 

(A. Kaya & J. García 2020)

Aus Datenschutzgründen verzichten wir darauf auf weitere spezifische Inhalte einzugehen. Die Klasse hat sich dazu bereit erklärt, an diesem Projekt teilzunehmen, möchte aber nicht, dass die Daten für die Öffentlichkeit zugänglich sind. 

Nachdem wir das Tagebuch erstellten, erhielten die Schüler*innen über einen von uns extra dafür eingerichteten parallelen Instagram-Account Zugang zum Tagebuch. Die Schüler*innen können also den Account sehen, die Beiträge lesen, Kommentare hinterlassen, jedoch weder Beiträge löschen noch bearbeiten.

Azad Kaya und Juan Garcia sind Pseudonyme der Autor*innen.

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Simon Boog und Sylvan Bürki

Spatzevogel – ein Hörspiel für Klein (und Gross)

Wir haben ein Hörspiel geschrieben, mit dem Ziel das Konzept des Affekts für Kinder zu vermitteln. Das Hörspiel „Spatzevogel“ wurde für Kinder ab ca. 5 Jahren aber auch für Erwachsene entwickelt. Wir möchten mit der Geschichte Kindern vermitteln, dass Geographie mehr ist, als das blosse Auswendiglernen der Weltkarte. 

Das ganze Hörspiel ist hier zu finden und eine hochdeutsche Übersetzung der ersten Minuten zur Beschreibung des Rahmens der Geschichte im Folgenden: 

Es war einmal ein Spatzenvogel, der sich die Welt anschauen wollte. Er flog weit weg über Berge, Ozeane und Wüsten bis er in ein Land kam, das sein Interesse sofort weckte. Noch nie, auf seiner ganzen Reise nicht, hat er so etwas gesehen. Von oben in der Luft fiel ihm zuerst nichts auf, doch als er sich auf dem Ast eines Baumes etwas ausruhen wollte, beobachtete er die Geschöpfe, die dort lebten. Die waren komisch.

In diesem Land lebten die Geschöpfe in vier Gruppen.

Da gab es die Schlaulis, die in den Bergen lebten. Sie lasen viele Bücher, die so gross waren wie ein Vogelnest breit, sie erfanden Sachen, erforschten die Berge, spielten immer Quiz miteinander und fragten immer sooo viele Fragen, weil sie alles wissen wollten.

Es gab auch einen grossen Wald, in dem die Naturlis wohnten. Der Spatz fand diese Naturlis sehr sympathisch, denn sie hatten einen grossen Garten mit Gemüse und Obstbäume mit Früchten, die er stibitzen konnte. Die Naturlis waren immer draussen und spielten mit Tieren, sammelten Blumen, bauten Hütten im Wald und suchten Pflanzen, Steine und Holz, um allerlei Sachen daraus zu machen. 

Die Sportlis lebten auf den Wiesen neben dem Fluss, wo der Spatz einen Schluck Wasser trinken wollte. Diese Sportlis waren immer in Bewegung, sie rannten um die Wette, sie spielten auf der Wiese Spiele mit einem Ball, sie schwammen im Fluss und wollten am liebsten den ganzen Tag hüpfen, turnen und zappeln - Hauptsache immer bewegen.

Einmal flog der Spatz fast in einen Papierflieger der aus einem der bunten Häuser des Dorfes kam, wo die Farblis lebten. Und was machten die Farblis? Die liebten es zu basteln, zu zeichnen, zu malen und alle liefen mit Papier, Stiften, Pinseln, allen möglichen Farben und mit Bastelsachen herum - stets bereit etwas mit ihren grossen Händen zu machen.

 

Gesellschaftliche Relevanz des Hörspiels

So wie die FarblisSchlaulisSportlis und Naturlis mit ihren jeweiligen Eigenschaften und Gegenständen sind auch wir aus unterschiedlichen Regionen mit unterschiedlichen Identitäten, Kulturen und Interessen. Durch die Globalisierung, einer sich wandelnden Mobilität oder auch neuen Kommunikationsmethoden entstehen verschiedene Kontakte und Begegnungen zwischen verschiedenen Menschen. 

Raumkonzepte und Affekte im Hörspiel

Der Spatz, als Protagonist, orientiert die Zuhörenden in den unterschiedlichen Räumen der Geschichte. Der Spatz interagiert zum Beispiel mit seiner Umwelt, mit ihren jeweiligen Regionen und mit den typischen Gegenständen, die er mit seinem Spatzenhirn wahrnimmt. 

An einigen Stellen haben wir Hintergrundgeräusche und Musik für eine bessere räumliche und zeitliche Orientierung integriert. So verweisen beispielsweise Windgeräusche darauf, dass sich der Spatz in der Luft befindet; Grillenzirpen untermalt eine nächtliche Stimmung. 

Da Affekte durch körperliche Erfahrungen, Assoziationen und sozial konstruierte Werte beeinflusst werden, lösen unbekannte Gegenstände bei den verschiedenen Geschöpfen die unterschiedlichsten Affekte aus.

Kinder antworten auf die Fragen im Hörspiel

Im Hörspiel stellen wir den Zuhörenden mehrmals Fragen, um eine Reflexion der Geschichte und den Transfer aus dieser Phantasiewelt hinaus in die reale Welt anzustossen. Im Folgenden zeigen wir die Antworten auf die Fragen aus dem Hörspiel von fünf verschiedenen Kindern, die wir befragt haben:

  Max (9J) Moritz (5J) Dominik (12J) Sandra (7J) Lorenz (8J)
Zu welcher Gruppe gehörst du und warum?  Sportlis, weil auch sie Sport treiben. Naturlis, weil ich immer draussen sein will. Sportlis, ich treibe selbst gerne Sport und spiele Fussball. Farblis, weil ich schön male. Sportlis, weil ich gerne Fussball spiele. Ich bastle und lese aber auch gerne. Lesen aber nur ein bisschen. 

Was dachten die Geschöpfe über die unbekannten Gegenstände? Warum hatten manche Spass mit den neuen Gegenständen und warum andere nicht?

Am Anfang hatten sie keine Freude, ein paar hatten danach aber neue Sachen erfunden. Ich will jetzt spielen. Manche hatten Freude, andere nicht. Weil einer fand es spannend, neue Sachen zu entdecken und ein anderer hatte schon einmal etwas Schlechtes erlebt.

Ein paar hatten Freude, andere nicht. 

Jemand fand, dass die Blumen gut gerochen haben, aber ein anderer denkt, dass die Blumen giftig sind.

Sie waren traurig, aber nicht alle. Sie haben auch neue Spiele erfunden.

Warum denken und fühlen wir unterschiedlich? Wie würdest du Affekt beschreiben?

Diese Fragen finde ich schwierig und kann ich so nicht sagen. (Keine Antwort) Weil wir andere Erfahrungen gemacht haben. Manche Leute sind netter als andere. Schwierige Frage. Der Grund, warum wir etwas gut oder schlecht finden? Wenn wir ein böses Sportli getroffen haben, finden wir die anderen Sportlis auch böse. Weil jeder eine andere Sache mag und andere Sachen gut kann. Manche Menschen haben keine Angst, weil sie ein Messer haben.

 

Ziel des Hörspiels war es, dass Kinder verstehen was das Konzept Affekt bedeutet. Basierend auf den Antworten der Kinder erkennen wir, dass die Frage nach dem Konzept Affekt gerade für die jüngeren Kinder schwierig zu beantworten ist. Dominik scheint das Konzept Affekt mit 12 Jahren jedoch gut erfasst zu haben. Spannend ist insbesondere auch die Antwort von Lorenz. Er ist ein Kind aus der Ukraine mit Fluchthintergrund. Er erwähnt, dass Menschen mit einem Messer keine Angst haben. Seine Antwort verweist unter Umständen auf Gewalterfahrungen, die er gemacht hat. Körperliche Erfahrungen und der Kontext in dem Menschen aufwachsen, beeinflussen wie bestimmte Gegenstände, Orte und Situationen verschiedene Menschen auf unterschiedliche Weise affizieren.

 

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Christian Beutler und Svenja Mülhauser

Sind wir alle Cyborgs? – Ein digitaler Selbsttest

Ausgewählte anonymisierte Rückmeldungen der Seminarteilnehmenden  nach dem Testdurchlauf
Ausgewählte anonymisierte Rückmeldungen der Seminarteilnehmenden nach dem Testdurchlauf

Der Umgang des Menschen mit Maschinen aller Art kann sowohl Gefahren mit sich bringen, als auch Möglichkeiten eröffnen. Donna Haraway beschäftigt sich in ihrem Manifest für Cyborgs (1995 [1985]) kritisch mit den verschwindenden Grenzen zwischen Maschinen und biologischen Organismen, aber auch den Potentialen dieser Konzeption. Wie viel Cyborg steckt überhaupt in uns? Mit unserem provokativen Vermittlungsformat sollen die Teilnehmenden am Beispiel des sog. Smartphone-Zombies zur Reflexion über Cyborgs, Gefahren und Möglichkeiten des (Teil-)Verlustes an Menschlichkeit angeregt werden. Dafür soll Haraways Cyborg-Konzept wortwörtlich durch einen Online-Selbsttest erlebt werden. Auf der Website können die Teilnehmenden anhand einer Alltagsgeschichte und einem Selbstexperiment in Erfahrung bringen, wie viel Cyborg bereits in ihnen steckt. 

                   Hier gehts zur Webseite mit Test und Selbstexperiment.

Damit wir das Beste aus unserem Format herausholen konnten, wurde der Selbsttest im Rahmen unseres Seminares Mehr-als-menschliche Geographien auf Herz und Nieren geprüft. Die digitale Form des Seminars bedingte die Idee eine interaktive Webseite zu gestalten, damit alle Teilnehmenden das Vermittlungsformat von zuhause aus erleben können. Am Ende erhielten sie eine Einschätzung anhand einer Bewertungsskala. Um das Format in einer visuellen Form festzuhalten, wurden die Seminarteilnehmenden innerhalb des Selbsttestes darum gebeten, ihre Vercyborgisierung mithilfe eines Fotos darzustellen. Im Folgenden ein paar ausgewählte Beispiele dieser Fotos: 

Selbsterstellte Fotos einiger Testteilnehmender
Selbsterstellte Fotos einiger Testteilnehmender

Vor diesem Seminar haben wir uns beide nie grosse Gedanken über ein solches Konzept wie der Cyborg gemacht. Der Begriff war uns zwar bekannt, jedoch verstanden wir darunter nicht mehr und nicht weniger ein Hybrid aus Mensch und Maschine beziehungsweise einen Roboter. Durch die erstmalige Lektüre des Textes von Donna Haraway (1985), dem Erarbeitungsprozess unseres Vermittlungsformates sowie den Rückmeldungen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wurde uns bewusst gemacht, dass viel mehr hinter dem Begriff steckt. Uns persönlich hat die Entwicklung des Formates einerseits in Erinnerung gerufen, wie häufig wir doch mit verschiedenartiger Technik interagieren, ohne uns Gedanken darüber zu machen, was das mit uns und unseren Mitmenschen macht. Wir haben gar angefangen, an unserer Menschlichkeit zu zweifeln. Auf der anderen Seite haben wir nun verstanden, dass das Konzept viele Möglichkeiten bietet, gesellschaftliche Probleme der heutigen Zeit auf eine ganz neue Art und Weise anzugehen. Sei es zum Beispiel die Problematik rund um Sexismus oder anderen politischen Angelegenheiten. Die Thematik hat auch explizit eine geographische Relevanz. So kann die Vercyborgisierung beispielsweise das Raumverständnis verändern, indem sie neue Machtverhältnisse schafft.

Wie man sieht, hat uns das Projekt dazu gebracht, unser Problemlösungsverhalten zu überdenken und uns auf neue Perspektiven einzulassen.

 

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Rahel Kobel und Anna Meier

Antibabypille transkorporal - eine virtuelle Ausstellung

Das Konzept der Transkorporalität versucht Dualismen wie Natur und Kultur aufzulösen und ein neues Verständnis von Natürlichem und Sozialem zu skizzieren (Strüver 2019: 224). Transkorporalität betrachtet Mensch und Umwelt als eine Einheit in einem Körper, die durch Intra-Aktion miteinander in einer Wechselbeziehung stehen (Strüver 2019). Der menschliche Körper wird als Ort betrachtet, in dem sich soziale, räumliche und ökologische Ungerechtigkeiten stofflich materialisieren (Strüver 2019: 225). Das Konzept stützt sich auf Theorien des New Materialism zu dessen Werke beispielsweise NatureCultures von Donna Haraway und Posthumanist Performativities von Karen Barad gehören (Strüver 2019: 224). 

Mit dem Ansatz einer Ausstellung, welche aufgrund des Coronavirus eine virtuelle wurde, sollte das Konzept verschiedenen Menschen nähergebracht werden. Bereits bei der Erstellung der Webseite haben wir versucht, möglichst viele Menschen in das Projekt zu involvieren, damit schon im Produktionsprozess verschiedene Menschen mit dem Thema der Transkorporalität vertraut werden. Um dieses Konzept zu verdeutlichen, wollten wir ein Thema wählen mit dem viele Menschen in ihrem Alltag konfrontiert sind. So entschieden wir uns für die Verhütung und grenzten das Thema mit der Antibabypille schliesslich ein. Was Transkorporalität und Antibabypille verbindet, lässt sich auf unserer Webseite entdecken:

Ziel der Webseite ist es, verschiedene Massstabsebenen miteinander zu verbinden und diese in einem transkorporalen Geflecht darzustellen. Dabei legen wir einen besonderen Fokus auf die individuellen (Körper-)Erfahrungen verschiedener Menschen und verknüpfen diese mit der öffentlichen Debatte um die Pille in den Medien.

 

Inhalte und Formate der Webseite

Die Startseite enthält ein Stop-Motion-Film, um die Neugier der Besuchenden zu wecken. In diesem werden verschiedene Nebenwirkungen der Pille auf den menschlichen Körper und Auswirkungen auf die Umwelt visuell thematisiert. 

Foto des Produktionsprozesses

Ein weiterer visueller Eindruck gibt eine Collage zum Thema «Die Pille und Umweltprobleme». Die Collage ist als Auftragsarbeit entstanden.

Unter diesem Panel haben wir Erfahrungsberichte von Personen unterschiedlichen Alters und mit diversen Geschlechteridentitäten gesammelt. Diese lassen sich auf der Website in Form von Videos oder Tonaufnahmen erfahren. 

Um die Erfahrungsberichte mit der Thematik der Transkorporalität in Verbindung zu bringen, wollten wir die persönliche Ebene mit einer öffentlichen Sphäre verbinden. Dazu sind die Erfahrungsberichte jeweils mit Titeln oder kurzen Absätzen von Zeitungsartikeln umgeben, welche dieselben Themen wie in den Aufnahmen ansprechen. Die Zeitungsartikel spiegeln inhaltlich nicht zwingend eine identische Meinung wie in den Aufnahmen wider, jedoch beteiligen sie sich an derselben Diskussion.

Wie die Sammlung der Erfahrungsberichte zeigt, gibt es einen sehr breiten Diskurs über die Pille, der unterschiedliche Thematiken involviert: Nebenwirkungen, Natürlichkeit, Umweltauswirkungen und Finanzielles sind nur einige der Themen, welche Personen in ihren Berichten aufgegriffen haben. Der Begriff «Transcorporeality» wurde im 21. Jahrhundert von Stacey Alaimo massgeblich geprägt. Das Konzept bietet für die Thematik der Antibabypille enormes Potential, das bisher in der Forschung nicht ausgeschöpft wurde. Das Konzept der Transkorporalität könnte angewandt werden, um Zusammenhänge herzustellen zwischen Veränderungen in menschlichen Körpern durch Medikamente und Umweltbelastungen durch medizinische Inhaltsstoffe.

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Thérèse Laubscher, Elisabeth Militz, Julia Poerting & Mirko Winkel

AUFGESTELLT - ein kubikmeter boden

Foto des Raumes

Um das Konzept Intra-Aktion zu verstehen haben wir uns dem Format der systemischen Aufstellung bedient. Unser Bezugssystem war ein Kubikmeter eines landwirtschaftlich bearbeiteten Bodens. Gemeinsam mit der Seminargruppe wurden mögliche menschliche und nicht-menschliche Elemente und Stakeholder dieses Kubikmeter Bodens festgelegt. Jede*r Seminarteilnehmende wurde zu einer Stellvertreter*in von verschiedenen Elementen. Ausserdem gab es eine Moderation, die durch den Prozess geleitet hat und die Rolle der Beobachter*in. Ausgangspunkt war die Perspektive einer Landwirt*in. Im Laufe des Prozesses wurden Konfliktszenarien eingeführt und es kam zu intendierten Rollenwechseln. Angelehnt an Karen Barads Konzept der Intra-Aktion rückten damit die Handlungsfähigkeiten und Verbindungen der verschiedenen Elemente unter- und miteinander und der Materie eines Kubikmeter Bodens immer mehr in den Mittelpunkt. Die In ihren Rollen bewegten sich die Teilnehmenden im Raum und sprachen nach Aufforderung miteinander. Hier folgen Auszüge aus diesen Improvisationen.

Fotos mit Zitate

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Gesammeltes Quellenverzeichnis

Alaimo, Stacey (2010): The naked word: The trans-corporeal ethics of the protesting body. Women & Performance: a journal of feminist theory, 20:1. 

Dirksmeier, Peter (2013): Die Beobachtung der Situation: Zur Rolle von Affekten in Begegnungen zwischen Fremden, in: Geographische Zeitschrift, Vol. No. 101, No. 2, S. 65-81.

Haraway, Donna (1995 [1985]). Ein Manifest für Cyborgs: Feminismus im Streit mit den Technowissenschaften, in: Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, herausgegeben von Carmen Hammer und Immanuel Stieß, übersetzte von Fred Wolf, 33–72. Frankfurt, New York: Campus Verlag.

Schurr, Carolin (2014): Emotionen, Affekte und mehr-als-repräsentationale Geographien, in: Geographische Zeitschrift, Vol. 102, No 3, S. 148-161. 

Strüver, Anke (2019): Von der Inkorporierung und Verkörperung des Sozialen zur Somatisierung der Umwelt: Posthumanistische Überlegungen zum biosozialen Subjekt. Geographica Helvetica 74, no. 2.