Vorträge

Vortragsprogramm 2024/2025

«Geographische Erkundungen im 21. Jahrhundert»

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Max Kanderske, Universität Siegen

Virtuelle Geographien – Eine Rundreise durch offene Spielwelten, erweiterte Realitäten und simulierte Räume

15. Oktober 2024, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

Medien wird traditionell ein destruktives Verhältnis zum Raum unterstellt: sie überwinden grosse geographische Distanzen, reduzieren den gesamten Planeten auf ein ‹globales Dorf› oder – folgt man dem Medientheoretiker Paul Virilio – vernichten den Raum in dem Masse, in dem die Übertragungsgeschwindigkeit wächst. Dieser Sichtweise steht gegenwärtig ein anderer Eindruck entgegen: Anstatt die Kategorie des Räumlichen überflüssig zu machen, sind digitale Medientechnologien vielmehr Zentrum und Ausgangspunkt einer regen Raumproduktion und der damit einhergehenden Rede von virtuellen Räumen geworden. So überlagern in Augmented-Reality-Anwendungen virtuelle Orte die physische Umgebung der Nutzer, ‹digitale Zwillinge› versprechen die präzise Simulation von Räumen zu (stadt)planerischen Zwecken, und in digitalen Spielen, die längst die Weitläufigkeit ihrer Spielumgebungen als Qualitätsmerkmal bewerben, werden in nie dagewesenem Umfang Räume durchmessen und Territorien kartiert und verwaltet.
Anhand einer Reise durch diese digitalen Räume zeigt Max Kanderske, dass ihre Hervorbringung vom Zusammenspiel situierter Medienpraktiken und materiellen (Infra)Strukturen abhängt: Virtuelle Geographien entstehen in Moment des Bedienens, Navigierens und Spielens.
 

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Dr. Martin Fengler, Meteomatics, St. Gallen

Hochauflösende Wettermodellierung mithilfe von Drohnen made in St.Gallen

29. Oktober 2024, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

Wir erleben es alles immer noch zu oft: Wettervorhersagen, insbesondere in extrem Situationen, sind noch immer oft sehr ungenau und stellen somit die Wirtschaft sowie die Bevölkerung vor zahlreiche Herausforderungen. In der Meteorologie gilt es zwei Herausforderungen zu meistern, um präzisere Wetterprognosen rechnen zu können. Zum einen muss die Datengrundlage zum Ist-Zustand der Atmosphäre stark ausgebaut und verbessert werden und zum anderen, müssen die Wettermodelle häufiger und in einer viel höheren Auflösung gerechnet werden.
Meteomatics hat sich beiden Herausforderungen angenommen, um mit selbst entwickelten Wetterdrohnen zum einen die Datengrundlage zu verbessern und zum anderen eigene hochaufgelöste Wettermodelle zu rechnen. Meteomatics ist dabei die einzige Firma weltweit, die ein Wettermodell mit einer Auflösung von 1 km für ganz Europa rechnet sowie Wetterdrohnen betreibt, die autonom bis auf eine Höhe von 6 km fliegen können. In diesem Vortrag erfahren Sie, wie Meteomatics die Grenzen der Meteorologie neu definiert und mittels selbst entwickelter Technologien weltweit neue Standards für Unternehmen setzt.
 

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Prof. Dr. Benjamin Stocker, Universität Bern

Können wir Klimaauswirkungen auf Landökosysteme vorhersagen?

12. November 2024, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

Landökosysteme sind enorm divers. Dennoch gibt es allgemeine Muster, wie Vegetationstypen global verteilt sind und wie Pflanzen auf ein sich änderndes Klima reagieren und von klimatischen Extremereignissen betroffen sind. Diese Muster zu entdecken und zu verstehen sind der Schlüssel für verlässliche Projektionen, wie Landökosysteme, der Kohlenstoffkreislauf, und das Erdsystem, auf den menschgemachten Klimawandel zu reagieren. Dieser Vortrag beleuchtet die Forschung auf der Suche nach allgemeinen Mustern aus verschiedenen Perspektiven – was wir lernen können aus globalen Klimaänderungen in der Vergangenheit, aus Beobachtungen von Satelliten, und aus der Kombination von Vegetationsmodellen und diversen Ökosystemdaten, die Forschern im 21. Jahrhundert zur Verfügung stehen.
 

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Prof. Dr. Thomas Frölicher, Universität Bern

Der Ozean im Ausnahmezustand: Die globale marine Hitzewelle im 2023 und zukünftige Entwicklungen

26. November 2024, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

Der Ozean ist der entscheidende Klimapuffer der Erde. Jährliche absorbiert er etwa 25 Prozent der von Menschen verursachten CO2-Emissionen und etwa 90 Prozent der zusätzlichen Wärmeenergie, die durch den menschengemachten Treibhauseffekt auf der Erde entsteht. Ohne diese Pufferwirkung hätten wir das 2 °C-Temperaturziel des Pariser Klimaabkommen bereits überschritten. Diese Pufferfunktion hat jedoch ihre Folgen. Mit einer global Meerestemperatur von 21.2 °C, dem höchsten Wert seit Beginn der Satellitenaufzeichungen, befinden sich die Weltmeere in einem Ausnahmezustand. Besonders der Nordatlantik verzeichnet seit dem Frühling 2023 eine beispiellose marine Hitzewelle. Neben den Temperaturerhöhungen schreiten auch die Versauerung und der Sauerstoffverlust im globalen Ozean unbemerkt voran. Welche Faktoren sind für diesen Ausnahmezustand verantwortlich? Wie können wir diese physikalischen und biogeochemischen Änderungen in den Weltmeeren, insbesondere in der Tiefe, überhaupt messen? Und welche Szenarien zeichnen sich für die Zukunft ab, inklusive der Möglichkeit von Kipppunkten im Ozean? In diesem Vortrag werde ich diese Fragen genauer untersuchen und einen Einblick in die neusten Beobachtungstechniken, Entwicklungen und Trends geben.
 

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Prof. em. Dr. Kathrin Altwegg, Universität Bern

Was uns die Teleskope der neusten Generation verraten

10. Dezember 2024, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

Die meisten von uns haben schon fantastische Bilder vom James Webb Teleskop gesehen und an Hubble Teleskop Bilder haben wir uns schon längst gewöhnt. Diese Bilder sind aber nicht nur einfach schön, sondern sie verraten uns sehr viel über die Geschichte unseres Universums. Zusammen mit andern sehr erfolgreichen Weltraummissionen wie der europäische Planck Mission oder mit Gaia, die unsere Galaxie vermisst, lernen wir ständig dazu. Wir müssen veraltete Hypothesen begraben, unsere Ansichten ändern und werden vor neue Herausforderungen gestellt. Im Vortrag werde ich zeigen, was sich in der Astronomie in den letzten paar Jahren getan hat, wo wir Fortschritte gemacht haben, aber auch wo uns noch das Verständnis fehlt.
 

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Christian Hergarten, Universität Bern

Die Bedeutung gemeinschaftlich erhobener räumlicher Daten

7. Januar 2025, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

Eine Vielzahl von Einzelpersonen und Organisationen beteiligen sich heute weltweit an der gemeinschaftlichen Erfassung von räumlichen Daten – ein Prozess, der gemeinhin als ‹crowdsourcing› bekannt ist. Solche kollektiven Daten, die oft über Plattformen wie OpenStreetMap, soziale Medien und verschiedene mobile Anwendungen gesammelt werden, bergen ein bedeutendes Potenzial für unterschiedliche Anwendungen. Ein bekannter Aspekt ist die kollektive Verbesserung geografischer Informationsgrundlagen, was beispielsweise Anwendungen wie eine optimierte Stadtplanung, effektiver Katastrophenschutz oder auch sensorgestützte Umweltüberwachung ermöglicht. Ausserdem können crowdsourced Geodaten zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements und Partizipation beitragen, indem sie Mitbürgern ermöglichen, sich an lokalen oder globalen Dateninitiativen zu beteiligen – oder auch eine unabhängige Kontrollfuktion von raumverändernden Aktivitäten erlauben (‹fact-checking›).
Nebst vieler Vorteile ist die Nutzung von räumlichen crowdsourced Daten auch mit Herausforderungen verbunden. Diese beziehen sich in erster Linie auf die Qualität der Daten, da diese je nach Erfassungsprozess bezüglich Präzision, Verlässlichkeit und Repräsentativität stark variieren können. Damit verbunden sind auch Aspekte mangelnder Datenstandardisierung und Interoperabilität, was die Integration mit anderen Datensätzen erschweren kann. Datenschutz- und ethische Überlegungen ergeben sich aufgrund potenzieller Missbrauchsmöglichkeiten von persönlichen Standortinformationen. Zudem führt die digitale Kluft dazu, dass Datenbeiträge deutlich öfter aus entwickelten als aus unterentwickleten Regionen stammen, was z. B. Lücken in weniger vernetzten Gebieten hinterlässt.
Die Bewältigung solcher Herausforderungen erfordert einen mehrteiligen Ansatz. Die Implementierung robuster Validierungs- und Verifizierungsprozesse kann dazu beitragen, die Datenqualität entscheidend zu verbessern. Transparenz und die Anwendung strenger Datenschutzrichtlinien können ethische Bedenken auffangen und Missbrauch entgegenwirken. Schließlich kann die Förderung digitaler Inklusion entscheidend dazu beitragen, die Lücke bei Datenbeiträgen aus unterrepräsentierten Regionen zu schliessen und darüber hinaus auch eine gesellschaftlich akzeptierte und nachhaltige Digitalisierung vorantreiben.
 

 

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Prof. Dr. Virginia Ruiz Villanueva, Universität Bern

Reading the landscape in the field: geomorphology fieldwork in the 21st century

21. Januar 2025, 18.15 – 19.30 Uhr, Grosser Hörsaal 001, GIUB

The foundations of Geomorphology are based on fieldwork; but fieldwork has evolved dramatically over the last centuries, partly due to our better understanding of the nature of geomorphology as a quantitative, natural science, and partly thanks to the evolution and development of new technologies. Geomorphology, as other fields, is profiting from the dramatically growing capabilities for monitoring and modelling Earth processes and the increasing availability of data. The enormous number of satellites with an extremely high spatial and temporal resolution, extensive use of uncrewed aerial vehicles (drones) equipped with different sensors, or ground-based and handled (like smartphone cameras) imagery provide an unprecedented view of Earth. In parallel, there has been a rise in computational competence, together with the development of complex and more accurate models and tools for data visualization, statistical analyses, and process modelling. Still, fieldwork continues to be a vital and necessary component to inform, validate or correct those remote-sensed datasets and models.
Taking examples from my own research and teaching experience in fluvial geomorphology and natural hazards, in this talk, I will discuss the importance and challenges of fieldwork, what and how it can be done, and how it helps generate new ideas, techniques and methods, eventually leading to new knowledge. I will show examples of field experiments and field-based process monitoring aimed at better understanding how rivers behave. The talk will end with personal reflections on how the experience could create stronger connections with both colleagues and the landscape.
 

 

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Ausstellung im Alpinen Museum

Besuch der Ausstellung: «Grönland – Alles wird anders»

28. Januar 2025, 18.15 Uhr, Alpines Museum ALPS, Helvetiaplatz 4, 3005 Bern

Grönland interessiert stellvertretend für den Zustand der Welt. Hier vollzieht sich der Klimawandel schneller als an anderen Orten – die Parallelen zum Alpenraum sind greifbar. Die kommende Ausstellung spürt Ambivalenzen und widersprüchliche Perspektiven zwischen Tourismusboom und Klimakrise auf und macht diese filmisch erlebbar.